Der Bundesgerichtshof hat sich mit Beschluss vom 19. Januar 2021 erstmals konkret zum Thermofenster bei Mercedes-Modellen geäußert (Az. VI ZR 433/19). Für den BGH ist klar: Alleine die Verwendung eines Thermofensters als Teil des Emissionssystems stellt noch keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar. Erst wenn weitere Merkmale einer Schädigung hinzukommen könne § 826 in Betracht kommen und einen Schadenersatzanspruch auslösen. Ob das in dem vorliegenden Fall so ist, muss die Vorinstanz entscheiden. Das Oberlandesgericht Köln hatte eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als „Vortrag in Blaue“ abgewiesen hat. So habe man dem Kläger seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verweigert, kritisierte der BGH.
„Nun muss das OLG Köln den Fall neu aufrollen und Daimler muss die Karten auf den Tisch legen. Im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast muss der Autohersteller nun erklären, welche Angaben er gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt zur Funktions- und Wirkungsweise des Thermofensters gemacht hat. Bisher hat Daimler an diesem Punkt immer gemauert und nur unvollständige oder geschwärzte Unterlagen vorgelegt. Damit dürfte nun Schluss sein, wenn Daimler den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung widerlegen will“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser, Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal aus Kiel.
Einen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) gab es für das streitgegenständliche Modell - einen C 220 CDI aus 2012 - nicht. Der Kläger machte aber Schadenersatzansprüche aufgrund der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eine Thermofensters bei der Abgasrückführung geltend. Das Thermofenster bewirke bei Außentemperaturen unter 10 Grad, dass die Abgasrückführung reduziert und schließlich ganz abgeschaltet wird. Diese Funktion sei eine unzulässige Abschalteinrichtung, die Daimler dem KBA nicht mitgeteilt und verschleiert habe.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der BGH hat nun auf Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers das Urteil wegen Verletzung rechtlichen Gehörs aufgehoben und die Sache ans OLG zurückverwiesen.
Der BGH bestätigte zwar, dass die Verwendung eines Thermofensters alleine nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu begründen. Stellt sich jedoch heraus, dass die für den Hersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden und diesen Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben, komme Sittenwidrigkeit jedoch in Betracht. Für diese Annahme habe der Kläger entsprechende Anhaltspunkte vorgetragen, wonach Daimler im Typengenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht habe. Dies habe das OLG nicht einfach ignorieren und so den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen dürfen.
„Ob durch die Verwendung eines Thermofensters eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorliegt, hat der BGH nicht entschieden. Klar ist aber, dass Daimler offenlegen muss, welche Angaben im Genehmigungsverfahren gemacht wurden. Das hätte Daimler schon lange machen können, wenn es nichts zu verbergen gibt“, so Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser.