Da die meisten Betroffenen Updates artig machen lassen, dümpelt eine interessante Frage ganz hinten im Fragenkatalog des Abgasskandals herum. Wenn ein Fahrzeug zurückgerufen wurde und ein Nichtdurchführen eines Updates zum Erlöschen der Zulassungsgenehmigung führt, wie sieht es dann mit der Zulassungsgenehmigung NACH den Updates 23Z7, 23Q7 oder 23X6 aus? Drohen Zwangsstilllegungen im Abgasskandal oder ist alles ganz anders? Das normale Prozedere ist, dass z.B. Audi im zurückgerufenen SQ5 die Abschalteinrichtung entfernt, weil Autos in Deutschland ja nicht mit Abschalteinrichtungen herumfahren dürfen, wenn diese dazu dienen, die wirklichen Schadstoffausstöße zu verschleiern. Laut KBA ist der Mangel durch das Update behoben und das Auto ist ohne weitere Untersuchungen oder Bestätigungen wieder zulassungsfähig.
So weit so gut. Aber schafft es die Software auch, dass das Auto nach dem Update die Grenzwerte einhält?
Appellieren wir mal an unsere Logik und listen Fakten auf
- 1. Das Auto produziert OHNE Abgasreinigung zu viel NOx
- 2. Die Abgasreinigung sorgt dafür, dass Grenzwerte eingehalten werden.
- 3. Abgeschaltete Abgasreinigungen reinigen nicht
- 4. Das KBA formuliert z.B. für den SQ5 der Baujahre von 2015 bis 2018 (SSK 6) wie folgt: "Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems"
- 5. Die Audi Vertragswerkstatt entfernt die Abschaltvorrichtung
- 6. Man macht irgendwas, damit das Auto die NOx-Grenzwerte einhält.
Aber "Was kann denn ein bisschen Elektronik schon ausrichten, was nicht vorher schon von den Spitzen deutscher Ingenieurskunst hätte installiert werden können?" Wenn Abgasreinigung so einfach wäre, hätte man Sie von Anfang an entsprechend konfiguriert und es hätte erst gar keinen Abgasskandal gegeben. Den gibt es nur, weil die Konstrukteure eben NICHT in der Lage waren, gesetzeskonforme Motoren zu bauen. Eben darum musste ja manipuliert werden.
Man wurde beim Mogeln erwischt! Devise der Ingenieure war: "Wir klären das mit Bordmitteln, also arbeiten mit dem, was zur Verfügung steht, bevor wir da teure Kinkerlitzchen einbauen! Das KBA prüft das eh nicht nach!"
Was wurde nun hinter verschlossenen Türen ans Whiteboard gekritzelt und vom Audi-Vorstand abgesegnet? Erst mal nach der Devise "Schadensbegrenzung" die technische Aufgabe:
"Wir schrauben die kleine und seit Einbau völlig überforderte Abgasreinigungsanlage so lange hoch, bis die Werte einigermaßen passen! Ob dann bei 150.000 die Lichter aus, bzw. Warnlampen angehen - egal.
Aber wie macht man sowas?
Scheinbar war man in der AUDI-Führungsetage hellauf begeistert von den Gedanken, die das Brainstorming der Ingenieure hervorgebracht hat. Hätte AUDI-Chef Stadtler an dieser Stelle seine Mannen bei der Here gepackt, wäre zumindest der neue Abgasskandal zu verhindern gewesen. Aber Herr Stadler konnte - oder wollte scheinbar nichts bis wenig von Herrn Winterkorn lernen. Er zündete die 2. Stufe "Dieselskandal 2.0", die nun alle Modelle betrifft, die im Abgasskandal jemals zurückgerufe werden mussten. Beschlossen und dann wohl auch in der gesamten Konzernfamilie durchgeführt wurden folgende Update-Bestandteile:
- 1. Das AGR wird zu einer Vervielfachung der Taktung angehalten
- 2. Der AGR- und der Ladeluftkühler werden mit Temperaturen konfrontiert, die einfach nicht gut für das System sind
- 3. Dann machen wir das Automatikgetriebe flott, bzw. behäbiger
- 4. Erklären wir der AdBlue-Einspritzanlage, dass mal tüchtiger zugelangt wird
- 5. "Spielen wir doch noch etwas an der Kraftstoffzufuhr herum!"
Nur zur Sicherheit
Zur Sicherheit werden diese ganzen - natürlich - motorschädigenden Aktionen in ein "Thermisches Fenster" gepackt, damit nicht allzuviel kaputtgeht. Heißt: Unter 17 % und über 33 % arbeitet die Abgasreinigung überhaupt nicht. Hier hat das eigentlich verbraucherfreundliche Urteil des EuGH übrigens eine ziemlich gemeine Folge: Ohne das Thermische Fenster werden die meisten Motoren früher oder später kollabieren.
Auf diese Weise hätte man natürlich schon VOR den Manipulationen Autos genehmigungsfähig machen können - allerdings mit dem Risiko, dass viele noch in der Garantiezeit wieder in die Werkstatt zurückgerollt wären. Das wollte man sich und den treuen Kunden natürlich nicht antun. Und Irgendwo auf diesem Weg verließ dann jeglicher Sinn und Anspruch den AUDI-Slogan "Vorsprung durch Technik".
All das passiert, ohne dass sich das Kraftfahrtbundesamt eine kritische Frage stellt, oder die kritische Frage zulässt:
"Nach dem Update: Gilt die Zulassungsgenehmigung?"
Eigentlich nicht - und das ist auch Rechtsmeinung, wie ein Urteil des OLG Karlsruhe zum Aktenzeichen Az: 1 U 181/05 schon im Jahr 2006 festgestellt hatte. Hier ging es um ein nachträglich deaktiviertes Chiptuning. Das Gericht stellt fest, dass der Rückbau der Anlage nicht automatisch die Zulassungsfähigkeit wieder herstellt. Das geht nur mit einer sogenannte Einzelabnahme auf Basis einer gutachterlich und damit amtlich bestätigten Untersuchung des Status Quo. Was auf jeden Fall nicht ausreichend sein sollte, ist die Unterschrift eines x-beliebigen VW-Mitarbeiters, unter einem Dokument (Mängelkarte), das alles und nichts bestätigt. Das KBA schafft also eine komplett eigene Rechtsmeinung und setzt die Manipulationen z.B. mit einem werksmäßig defekten Kühlerschlauch gleich, der halt ausgetauscht werden muss. Dabei übersieht man gern: Der Kühlerschlauch ist in seiner Funktionalität Teil der Zulassungsgenehmigung - das Abgassystem allerdings berührt EU-Recht und setzt, falls nicht richtig konfiguriert, die Zulassungsgenehmigung allein schon dadurch außer Kraft, dass Grenzwerte überschritten werden. Heißt: Das KBA verlangt die Abschaltung des Mangels, interessiert sich aber nicht dafür, welche Emissionen das Auto ohne Abschaltvorrichtung auf dem Prüfstand produzieren würde.
Zulassungsstellen fordern Mängelkarte oder Gutachten
Und jetzt wird es speziell: Wenn nun - wie hier im Forum aktuell berichtet - eine Zulassungsstelle ein Gutachten fordert, statt einfach durchzuwinken, dann ist das nicht unbedingt nur mit einem Griff ins falsche Formularfach zu begründen, sondern letztendlich logische Schlussfolgerung. Vielleicht hat da endlich mal ein Sachbearbeiter klar nach Gesetzeslage entschieden, bzw. formuliert. Die Zulassungsstelle bezieht sich mit der Anforderung eines Gutachtens nämlich auf eine verbindlich gültige Rechtsgrundlage nach § 5 Abs. 2 Satz 1 FZV (Fahrzeug-Zulassungsverordnung). Danach verlangt die Zulassungsbehörde vom Eigentümer oder Halter des Fahrzeugs den Nachweis, dass die Gründe für die Beschränkung oder Untersagung des Betriebs nicht oder nicht mehr vorliegen. Die meisten Zulassungsstellen Deutschlands scheinen wohl Auseinandersetzungen mit ihrem obersten Dienstherren zu scheuen und winken Stilllegungsgesuche schnell durch oder legen sie auf einen hohen Aktenberg.
Oder noch interessanter: Was, wenn der Besitzer eines geupdateten Autos um die Bestimmungen weiß und erklärt: "Ich setze mich doch nicht in ein Auto ohne Zulassungsgenehmigung - da mache ich mich ja strafbar!" Darf eine Zulassungsstelle ein Auto zulassen, dass keine Zulassungsgenehmigung hat? - eher nicht. Den Zulassungsbehörden gelingt ein Winkelzug: Man verlangt ein Gutachten ODER eine ausgefüllte Mängelkarte. Eine solche stellt die VW-Werkstatt aus. Da bescheinigt sich der Schummler, dass er kein Schummler ist...
Wie auch immer: Es ist nur eine Facette im Abgasskandal und wurde einfach nur mal aufgeschrieben, damit man's nicht vergisst. Die Folgen des grundsätzlichen Verlustes der Zulassungsgenehmigung durch das Update wären fatal: Denn Millionen von Autos wären betroffen. Dies ist keine Satire. Oder doch? Ich weiß es langsam nicht mehr.
Wo Sie's grad schon mal lesen: Nehmen Sie doch morgen Ihr Telefon zur Hand und verlangen Sie von Ihrer Zulassungsbehörde mit Hinweis auf § 5 Abs. 2 Satz 1 FZV (Fahrzeug-Zulassungsverordnung) den Nachweis, dass Ihr Auto überhaupt zulassungsfähig ist nach dem Update. Die Zulassungsgenehmigung wurde erteilt, bevor das Update aufgespielt wurde. Das KBA hat aber eindeutig festgelegt, dass Ihr Fahrzeug ohne Update NICHT der Zulassungsgenehmigung entspricht, zumindest steht es so in den Verfügungen der Zulassungsstellen. Aber wo ist dann die gültige Zulassungsgenehmigung? Die reaktiviert sich doch nicht von alleine, nur weil Audi was in den Tiefen der Motorsteuerung herumlötet. Das wär etwas einfach: Genauso gut könnte ich die Blackbox meiner Chipsteuerung zum Landratsamt schicken und sagen: "Hier ist der Übeltäter - damit entspricht mein Auto wieder der Zulassungsgenehmigung!"
Nachmals Klartext: Rein theoretisch fahren Sie mit einem Auto zur Zulassungsstelle, für das es 2015 eine Typengenehmigung gab. Diese wurde durch den Bescheid des KBA aufgehoben und danach nicht rechtwirksam wieder erneuert. Man mag jetzt sagen: OK, das ist doch bei allen Rückrufaktionen so - aber bei normalen Rückrufaktionen geht es auch nicht um das Einhalten messbarer Standards, sondern um den Austausch sicherheitsrelevant bedenklicher Bauteile.
Und die letzte, weil allerbeste Frage: "Wer zahlt dieses gesetzlich geforderten Gutachten?" In einem uns bekannt gewordenen Fall mit vergleichbarer Thematik hat sich VW mit einem Kläger mehr als extrem verbraucherfreundlich verglichen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
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Grundsätzlich kann eine Zulassungsbehörde einen Nachweis über einen amtlich zugelassenen Gutachter verlangen. Frage ist nur, was dort testiert werden soll und was dabei herauskommen könnte? Unter Umständen könnte bei einer solchen Untersuchung herauskommen, dass das Auto nach dem Aufspielen des Updates immer noch nicht zulassungsfähig ist. Das wäre z.B. der Fall, wenn eine Schadstoffmessung eine Überschreitung von Grenzwerten nachweisen sollte. Derzeit sieht es wohl so aus, als ob eine von der Werkstatt ausgefüllte "Mängelkarte" ausreicht.
Besondere Situation für T6-Besitzer
T6-Besitzer, die das Update 23Z7 durchführen lassen müssen und das aber eigentlich aus nachvollziehbaren Gründen ganz und gar nicht wollen, haben in diesen Tagen etwas unangenehme Post von ihren Zulassungsstellen bekommen. Die für die Zulassung von Fahrzeugen zuständige Behörde fordert die Bulli-Fahrer letztmalig auf, das Update in einer VW-Vertragswerkstatt durchführen zu lassen und innerhalb von 10 Tagen nach Zustellung am 6. Januar 2021 dies der Behörde mitzuteilen. Vorgelegt werden muss dabei eine ausgefüllte Mängelkarte oder das Gutachten eines amtlich bestellten Sachverständigen für den Straßenverkehr. Wer das Update nicht machen lässt, bzw. die erforderlichen Dokumente (Gutachten oder ausgefüllte Mängelkarte) nicht beibringen kann, steht nach Ablauf der 10-Tagefrist ohne Zulassung da. Heißt: Das Bewegen des Fahrzeugs im öffentlichen Raum – selbst das Parken – ist untersagt „da die festgestellten Mängel in ihrer Auswirkung eine Gefährdung / Belästigung für andere Verkehrsteilnehmer darstellen".
Die Kosten für den Zulassungsentzug haben die Fahrzeugbesitzer zu tragen – diese liegen je nach Landratsamt oder Stadtverwaltung zwischen 14,30 und 286,00 Euro. Rechtsanwalt Gisevius: „Die Zulassungsstellen ziehen jetzt die Daumenschrauben an!“ Nach Meinung des „Öltod-Anwalts“ ist es aber interessant zu sehen, dass deutsche Zulassungsstellen den Fahrzeugmangel „Konformitätsabweichung“ mittlerweile als Gefährdung des Straßenverkehrs einstufen, obwohl immer noch nicht klar ist, was – rein technisch – unter einer Konformitätsabweichung zu verstehen ist. Fakt ist, dass das im April 2019 veröffentlichte Rückrufaktion Autos betrifft, deren Stickoxid-Ausstöße nicht den EU-Grenzwerten entsprechen. O-Ton KBA: „Konformitätsabweichung führt zur Überschreitung des Euro-6-Grenzwertes für Stickoxide“.
Gisevius: „Es ist davon auszugehen, dass im Rahmen des Updates z.B. die Taktung des AGR-Ventils erhöht wird – dies geht auf Kosten der Lebensdauer des gesamten Systems. Wer tritt für diesen Schaden ein?“
Die Durchführung des Updates wirkt sich juristisch nicht auf Schadenersatzansprüche aus. Übrigens: Nach dem Auslieferungsstopp zugelassene T6 müssen dieses Update nicht machen – hier wurden entsprechende „Anpassungen“ schon während der Wartezeit erledigt.
Kommentare
Zwangsstillegung/Nachweis Update
Das Prozedere ist bei mir folgendes: Nach mehrfacher Aufforderung von VW zum freiwilligen Update (Feldmaßnahme) erhielt ich mit Datum 01.09.2020 die Aufforderung vom KBA zum Rückruf 23Z7 mit Fristsetzung 09.12.2020. Nachfragen zur Begründung der Maßnahme wurden vom KBA nur zögerlich und ausweichend beantwortet. Nach langem Zögern habe ich das Update kurz vor Weihnachten aufspielen lassen. Mit Schreiben vom 05.01.2020 erhielt ich von meiner örtlichen KfZ-Zulassungsstelle die Aufforderung zum Nachweis der „Mängelbeseitigung“ durch eine Bestätigung der Fachwerkstatt. Fristsetzung: vier Wochen mit Androhung der Stilllegung.
Danke für Ihren Kommentar
Das bestätigt meine Einschätzung, dass im mir vorliegenden Fall einfach ein Behördenfehler anzunehmen ist.
LG Usch