Im VW-Abgasskandal hat der BGH mit Urteil vom 25. Mai 2020 für klare Verhältnisse gesorgt (Az.: VI ZR 252/19) ohne wesentlich neue Aspekte zu bringen. Drei wesentliche Eckpunkte der Entscheidung waren, dass VW grundsätzlich wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung schadensersatzpflichtig ist, dass der Schaden mit Abschluss des Kaufvertrags entstanden ist und das VW eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer anrechnen darf.
An diesen Eckpunkten wird der BGH festhalten, das scheint klar, auch wenn ein Urteil noch nicht verkündet wurde. Das wurde in zwei Verfahren vom 21. Juli 2020 deutlich (Az.: VI ZR 354/19 und VI ZR 367/19). „Der BGH hat auch in diesen Verhandlungen zu erkennen gegeben, dass VW sich durch die Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen haftbar gemacht. Es zeichnet sich aber auch deutlich ab, dass der BGH an der Anrechnung einer Nutzungsentschädigung festhalten wird“, sagt Rechtsanwalt Andreas Schwering aus Hannover, Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal.
Die Anrechnung der Nutzungsentschädigung ist besonders für Verbraucher bitter, die mit ihrem Fahrzeug viele Kilometer zurückgelegt haben. Dass das soweit führen kann, dass die Nutzungsentschädigung den Schadensersatzanspruch komplett aufzehrt, zeigte das Verfahren zum Aktenzeichen VI ZR 354/19. Hier wies der VW Passat des Klägers einen Kilometerstand von rund 255.000 Kilometern auf. Das OLG Braunschweig wies die Schadensersatzklage daher ab. Es bezweifelte, ob der Kläger überhaupt vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden sei. Angesichts des hohen Kilometerstands sei ein möglicher Schadensersatzanspruch aber ohnehin aufgebraucht.
Auch wenn der hohe Kilometerstand eines Fahrzeugs nichts daran ändert, dass sich VW grundsätzlich schadensersatzpflichtig gemacht hat, müsse sich der Kläger Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, machte der BGH nun deutlich Auch wenn dies dazu führe, dass vom Schadensersatzanspruch nach Abzug der Nutzungsentschädigung nichts mehr übrig bliebe. „Ärgerlich ist, dass so auch noch die Taktik von VW, Prozesse in die Länge zu ziehen, belohnt wird. Dadurch haben die Fahrzeuge immer mehr Kilometer zurückgelegt und vom Schadensersatz bleibt unterm Strich immer weniger übrig. Allerdings stehen zur Anrechnung des Nutzungsersatzes auch noch Entscheidungen des EuGH aus, der möglicherweise zu einer verbraucherfreundlicheren Sichtweise kommt“, so Rechtsanwalt Schwering.
Auch im zweiten Verfahren zum Aktenzeichen VI ZR 367/19 ging es um eine Schadensersatzklage, die das OLG Braunschweig abgewiesen hatte. In diesem Fall hatte der Kläger das Software-Update auf seinen VW Tiguan zwar aufspielen lassen, er machte aber auch Schadensersatzansprüche geltend. Für das OLG Braunschweig war der Schaden durch das Update schon beseitigt worden. Dieses Urteil wird der BGH mit hoher Wahrscheinlichkeit kippen. Schon in seinem Urteil vom 25. Mai hatte er klargemacht, dass der Schaden schon mit Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags entstanden ist. Denn bei Kenntnis der Abgasmanipulationen hätte der Kläger das Fahrzeug nach Überzeugung der Karlsruher Richter nicht gekauft. Durch ein nachträgliches Software-Update könne der Schaden daher nicht beseitigt werden, so der BGH.
„Positiv ist festzuhalten, dass an der Rechtsprechung des BGH, dass VW sich schadensersatzpflichtig gemacht hat, nicht zu rütteln ist. Daher bestehen gute Chancen, Schadensersatzansprüche gegen VW durchzusetzen“, so Rechtsanwalt Schwering.
Das ist besonders für die Verbraucher erfreulich, deren Klagen gegen VW noch anhängig sind, aber auch für diejenigen, die sich am Musterfeststellungsverfahren gegen VW beteiligt und das Vergleichsangebot abgelehnt haben.
„Selbst für geschädigte VW-Kunden, die bisher noch nichts unternommen haben, ist es nicht zwangsläufig zu spät. Nach § 852 BGH sind ihre Ansprüche noch nicht verjährt“, erklärt Rechtsanwalt Schwering.
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