Ein neues Kapital im Mercedes-Abgasskandal ist eröffnet: Mercedes schummelt wohl auch bei Lkw. Dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) wurde von der Daimler-AG gemeldet, dass in Modellen der Actros-Modellreihe eine illegale Abschaltvorrichtung verbaut wurde. Bestimmten Voraussetzungen führen dazu, dass die Harnstoff-Einspritzung (AdBlue) aussetzt, wodurch der NoX-Wert über die im Rahmen der EU-Norm zulässigen Grenzwerte steigt. In Betroffenheit geraten sind 6-Zylinder-LKW (OM 501), die derzeit noch außerhalb der europäischen Grenzen verkauft werden – der Vertrieb wurde laut Werksangaben eingestellt.
Deutsche Mercedes Lkw genießen Kultstatus in der ganzen Welt und erreichen mit aktuellen Abgasreinigungsanlagen Werte, von denen Pkw „Made in Germany“ träumen können. Umso überraschender ist es, dass Mercedes fast schon in Form einer Selbstanzeige dem KBA Hinweise auf Manipulationen an Actros-Motoren liefert. Nun heißt es willkommen in der Debatte für das Kapitel Abgasskandal Mercedes-Lkw.
Die Kooperationsanwälte der IG Dieselskandal berichten über tiefe Einblicke in den Daimler Abgasskandal aus zahlreichen Beweisaufnahmen zu offiziell nicht betroffenen Pkw-Motoren. Sie sind sich einig, dass die Actros-Modelle das deutsche Straßenbild maßbeglich bestimmen und Mercedes-Lkw ein Abbild logistischer Leistungsfähigkeit des Landes sind, auf sowohl quantitativer als auch qualitativer Ebene. Wenn sich der Verdacht gegen den OM 501-Motor verfestigt, müssen staatsanwaltliche Ermittlungen folgen – mal ganz abgesehen von zahllosen Klagen betroffener Konzerne.
Das Bundesverkehrsministerium hat der Actros-Reihe mit angeblich optimaler Abgasbehandlung signifikante Maut-Ermäßigungen für ihr Engagement in Sachen Umwelt gewährt. Die Kooperationsanwälte der IG Dieselskandal, halten dies nahezu für einen eklatanten Subventionsbetrug in Anbetracht der Laufleistungen von einer Millionen Kilometern und mehr. Der durch Abgasmanipulationen entstehende Schaden bei Lkw ist laut Experten ohnehin im Einzelfall sichtbar höher als bei betroffenen Pkw. Grund dafür sind extrem hohe Kaufpreise, hohe Kosten für Diesel und Adblue, sowie zu erwartende Kilometer-Laufleistungen von weit über einer Millionen Kilometer. Betroffene Lkw-Besitzer im Dieselskandal zahlen also deutlich drauf. Für Mercedes-Eigentümer mag das umso nervenraubender sein, da sie als Betroffene des so genannten Lkw-Kartells durch verbotene Preisabsprachen schon beim Kauf ihres Actros deutlich benachteiligt wurden.
Durch die Aufarbeitung des Falles OM 501 ist der Dieselskandal nach drei Jahren auch im Nutzfahrzeugbereich und im Transportgewerbe angekommen. Wenn mit „bestimmten Voraussetzungen” die Temperaturentwicklung gemeint ist, wurde bei Mercedes auch bei der Actros-Modellreihe mit dem sogenannten „thermischen Fenster” gearbeitet, um minimale Grenzwertabweichungen beim NoX-Wert zu erreichen. Es ist dabei allerding noch nicht geklärt, was „minimal” bei einem Motor mit 14 Litern Hubraum bedeutet.