Man kann den Unmut mancher Richter im Dieselskandal verstehen: Im Grund sind viele komplexe und strittige Fragen rund um vermeintlich unzulässige Abschaltvorrichtungen recht einfach zu beantworten. Man müsste nur Einblick in entsprechende Akten des Kraftfahrtbundesamtes nehmen dürfen, denn die Flensburger Behörde ist in der Vergangenheit eine Vielzahl von Verdachtsmomenten nachgegangen – veröffentlicht wurde nur ein Bruchteil.
Warum? Darüber kann nur gemutmaßt werden. In einem von Sebastian Koch, SALEO Rechtsanwälte, geführten Verfahren gegen die Daimler AG hat das Oberlandesgericht Celle am 10.06.2021 nun eine prozessleitende Verfügung erlassen. Das Gericht fordert das KBA nun auf, sich umfangreich zu Erkenntnissen der Behörde zu Abschalteinrichtungen in einem GLK 220 zu äußern und insbesondere Erkenntnisse zur Verwendung von Abschaltvorrichtungen darzulegen.Dabei geht es konkret um
- Thermofenster
- Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung
- Reduzierung oder Abschaltung des AGR-System
Entscheidend: Das Gericht fordert nicht Akten zu bestimmten Vorgängen an, sondern will wissen, was das KBA zur betreffenden G-Klasse weiß und was es diesbezüglich unternommen hat. Im aktuellen Fall soll das Kraftfahrtbundesamt also herangezogen werden, um ein Verfahren auf Basis von gesicherten Erkenntnissen zu entscheiden. Bezeichnend für den Dieselskandal ist, dass solch ein Informationsaustausch zwischen zwei staatlichen Institutionen nicht barrierefrei und auf Zuruf funktioniert, sondern von einem Richter angeordnet werden muss.
Sebastian Koch ist Gründungsmitglied der IG Dieselskandal und freut sich über den Strategiewechsel. Durch die Verfügung wird der Strategie von Daimler entgegengetreten, durch sogenannte „freiwillige“ Updates (teils ohne Kenntnis oder Einwilligung der Fahrzeughalter) Pflichtrückrufen mit angeordneten und kontrollierten Updates zuvorzukommen. Damit konnte die Daimler AG mit Unterstützung einer amtlichen Behörde verhindern, dass Pflichtrückrufe ausgesprochen werden, die Aussichten von Verbraucher-Klagen begünstigen würden.
Koch: „Die Verfügung des OLG Celle ist für die Geschädigten des Dieselskandals eine gute Nachricht und zeigt einmal mehr, dass Oberlandesgerichte das schlichte Bestreiten aller Vorwürfe durch Daimler in den Prozessen nicht mehr akzeptieren."
Die Aussichten für Schadensersatz sind damit erneut gestiegen.