Als Thermisches Fenster bezeichnet man die Aktivität eines Systems in einem festgelegten Temperaturbereich. Im Abgasskandal bezeichnet das "Thermische Fenster" einen Temperaturbereich, außerhalb dessen eine Abgasbehandlung nicht oder nicht im vollständigen Umfang stattfindet. Die Nutzung eines Thermischen Fensters ist nicht grundsätzlich unzulässig, sondern nur dann
a. wenn durch das Thermische Fenster die ursprünglichen Ziele eines Vorgangs - regelkonforme Abgasreinigung - nicht mehr erreicht werden können
b. wenn es eine Typengenehmigung gibt, ohne dass die Genehmigungsbehörden auf die Funktion eines Thermischen Fensters hingewiesen wurden
Das hat Potential zum Wort des Jahres: Das "Thermische Fenster" ist in aller Munde, dabei ist es kein wirklich neues Thema. Mercedes hat schon im Jahr 2017 den Optimierungsbedarf bei 3 Millionen Autos angezeigt und zum freiwilligen Rückruf geladen. Nun kommt das Thema auch bei den Gerichten an.
Aber um was geht es überhaupt?
Ganz einfach: Es existiert eine EU-Richtlinie zum Bauteileschutz, nachdem Motorenhersteller zum Schutz vor Bauteilen gegen Überhitzung die Abgasnachbehandlung reduzieren oder sogar ganz abstellen dürfen.
Bewegen sich Motorkonzepte außerhalb der Zulässigkeit des "Thermischen Fensters", dann sind Abgas-Abschaltvorrichtungen unzulässig. Aktuell befassen sich Gerichte intensiv mit der Thematik. Vorreiter dabei: Das Landgericht Stuttgart, das in drei Urteilen die Verwendung des Thermischen Fensters durch Mercedes als unzulässig verurteilt hat, auch in der Schadstoffklasse 5. In einem weiteren und nicht minder spektakulären Fall eröffnet das Gericht nun auch einen kritischen Blick auf die Abschaltvorrichtungen in den 3 Liter-Motoren von Audi.
Diese verwenden in den Schadstoffklassen 5 und 6 ebenfalls ein "Thermisches Fenster". In einem aktuellen Fall wurde für einen A4 mit 3-Litermaschine eine Rückgabe des Autos nicht allein auf Basis vorhandener Rückrufaktionen angeordnet, sondern auch als Ergebnis der Diskussion um das "Thermische Fenster". Interessant dabei: Das Landgericht eröffnet dabei ganz weit das Tor zu Schadensersatzansprüchen in der Schadstoffklasse 5, denn das "Thermische Fenster" betrifft nicht nur die Taktung der Abgasrückführung zum SCR-Katalysator der Schadstoffklasse 6 inklusive des EA288 von VW, sondern auch zum Rückführungssystem älterer Audi, Porsche und VW-Touareg-Modelle mit V6- und V8-Motoren.
Hier mehr über die Stuttgarter Mercedes-Urteile erfahren
Hier mehr über das Stuttgarter Audi-Urteil erfahren
Das Thermische Fenster im EA288
Fast alle aktuellen Vierzylinder-TDI der Volkswagenfamilie arbeiten mit dem Thermischen Fenster. Ganz besonders deutlich ist das im aktuellen T6-Urteil des Landgericht Münchens geworden - hier mehr über den EA-288 erfahren.