Rechtsanwältin Bauer - Kanzlei www.kanzlei-brbd.de - führt aktuell mit Hilfe der Rechtsschutzversicherung ihres Mandanten ein Verfahren mit dem Ziel der Rückgabe eines vom Abgasskandal betroffenen T5 Bullis. Wir werden an dieser Stelle über den Fortgang des Verfahrens berichten, aber auch aktuell die Gelegenheit nutzen, unsere neue Kooperationsanwältin vorzustellen und zu "ihrem Thema" zu befragen.
IG Dieselskandal: Sie führen ein Verfahren, um der VW AG ein vorsätzlich sittenwidriges Verhalten nachzuweisen zu Lasten des Besitzers eines VW T5. Was ist das Besondere an diesem Verfahren?
RAin Bauer: Die intensive Auseinandersetzung meinerseits mit allen im Zusammenhang mit dem Dieselskandal stehenden Fragen hat verdeutlicht, dass gerade auch bei dem VW T 5 nicht zu objektivierende Aufarbeitungs- und Aufklärungsmängel existieren. Dies hat derartig weitreichende Konsequenzen, welche die Gemeinschaft nach meinem Dafürhalten keineswegs tatenlos hinnehmen darf.
Obwohl eine Ausrüstung der streitgegenständlichen Fahrzeuge (hier Baujahr 2008-2015) mit dem Motor EA 189, dem sogenannten Skandalmotor, erfolgte, hört man beispielsweise seitens des Kraftfahrtbundesamtes lediglich, dass der Einsatz von Manipulationssoftware geprüft werde und fehlende Kapazitäten zu einer Verzögerung führen. Nicht zu verkennen ist, dass wir uns seit dem Jahr 2015 in der Aufarbeitung befinden. Selbst in den mehrfach von mir geführten Telefonaten mit dem KBA umgeht man eine konkrete, zielführende Aussage. Es wird nach meiner Einschätzung ganz offensichtlich vermieden, die bisherigen Prüfungsergebnisse transparent offen zu legen und ggf. einzuräumen, dass sich der Anfangsverdacht erhärtet hat. In der Konsequenz sind die VW T 5 Besitzer gehindert, am Musterverfahren teilzunehmen. Weiterhin und dies ist die größte Herausforderung, muss im Fall einer Klageerhebung durch einen substantiierten Sachvortrag dargelegt und bewiesen werden, dass auch bei dem VW T 5 manipuliert wurde. Wir müssen konkrete Tatsachen dafür liefern, um die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erreichen und um damit letztlich den Beweis zu führen - auch ohne Rückrufaktion.
IG Dieseslskandal: Klagende T5-Besitzer übernehmen also die Arbeit des KBA?
RAin Bauer: So könnte man es überspitzt durchaus sehen. Oder besser so: T5-Fahrer können nicht warten, bis jemand anderes initiativ wird. Das ist weder seitens des KBA noch seitens VW zu erwarten.
IG Dieselskandal: Welches Ziel verfolgen Sie?
RAin Bauer: Aus der Gesamtschau, insbesondere der Chronologie, erschließt es sich mir nicht, warum VW für den T 5 die Lösung zur Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Emmissionswerte gehabt haben will, für den Nachfolger den T 6 sodann aber wieder nicht mehr. Dies folgt keiner Logik. Ich werde mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln, dafür einsetzen, den Sachverhalt aufzuklären und zwar umso mehr, da diese Gruppe von behördlicher Seite im Stich gelassen wird. Dies kann ich nicht allein, sondern es bedarf einer Inititiative wie der IG Dieselskandal. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Gemeinschaft die notwendige Transparenz schaffen können, wenn jeder seinen Teil, d.h. insbesondere Erfahrungen/Auffälligkeiten bekundet und wir so ein „Profil“ erarbeiten können. Nur so gelingt es uns, dass taktische Vorgehen auszurichten und immer wieder entsprechend den Erkenntnissen anzupassen.
IG Dieselskandal: Gibt es Reaktionen Seitens des Beklagten?
RAin Bauer: Die Volkswagen AG bestreitet mit Vehemenz, dass der T 5 vom Dieselskandal betroffen ist. Der T5 ist offiziell vom Abgasskandal nicht betroffen, weil es das einzige VW-Modell mit EA189-Motor ist, das kein Rückrufschreiben bekommen hat.
IG Dieselskandal: Sie gehen trotzdem von einer Betroffenheit aus – Warum?
RAin Bauer: Es sind eine Vielzahl von Anhaltspunkten vorhanden, welche nicht von der Hand zu weisen sind und einer gutachterlichen Überprüfung unterzogen werden müssen. Kaum ein Diesel hat nach Werkstattaufenthalten so massiv mit Updatefolgen zu kämpfen wie dieses Model. Insbesondere auszutauschende AGR-Ventile führen die Fehlerlisten an.
IG Dieselskandal: Jetzt wird es technisch, oder?
RAin Bauer: Zur näheren Erläuterung der allgemeinen Funktion, Aufgabe der Abgasrückführung, d.h. ohne Manipulation, muss man ins Detail gehen. Bei hohen Verbrennungstemperaturen (über 1.800°C) entstehen im Motor zunehmend umweltschädliche Stickoxide. Um diese zu reduzieren, muss bei der Abgasrückführung die Verbrennungstemperatur gesenkt werden. Mit Hilfe der Abgasrückführung wird die Entstehung von NOx bei Otto- oder Dieselmotoren (eigentlich) verringert. Die Rückführung von sauerstoffarmem und kohlendioxidhaltigem Abgas verdrängt Frischluft im Ansaugrohr und senkt den Sauerstoffanteil der Frischgase, wodurch die Verbrennungsgeschwindigkeit abnimmt. Die höhere Wärmekapazität des Abgases gegenüber Frischluft senkt die Verbrennungstemperatur, da das vorhandene Kohlendioxid ein Teil der Verbrennungswärmemenge absorbiert. Man könnte auch sagen: Das Abgas nimmt nicht an der Verbrennung teil, muss aber jedoch mit aufgeheizt werden. Als Folge sinkt die Verbrennungstemperatur .
IG Dieselskandal: Und dadurch sinkt der Schadstoffausstoß?
RAin Bauer: Durch das Verkleinern des Sauerstoffanteils und das Absenken der Verbrennungstemperatur reduzieren sich die Verbrennungstemperatur und damit die Abgastemperatur von den üblichen 700°C bis auf 400°C. Durch die Absenkung der Verbrennungstemperatur entsteht ein großer Teil der Stickoxide erst gar nicht mehr. Eine Absenkung der Verbrennungstemperatur hat eine Verringerung des NOx-Anteils im Abgas zur Folge.
IG Dieselskandal: Sie gehen von AGR-Problematiken aus, auch wenn gar keine Updates aufgespielt wurden? Viele T5-Fahrer geben an, dass erst nach Werkstattaufenthalten die Probleme begannen.
RAin Bauer: Auch in originalen und noch immer manipulierten Versionen kommt es viel zu früh zu Problemen mit dem AGR-Ventil. Wenn es nach Abschaltung der Manipulation noch häufiger zum Einsatz kommt, bzw. noch intensiver taktet, kann davon ausgegangen werden, dass Schäden expotentiell früher eintreten.
IG Dieselskandal: Wofür steht diese AGR-Probematik?
RAin Bauer: Die AGR-Ventile müssen nach einem Werkstattaufenthalt ausgetauscht werden. Dies ist ein Indiz dafür, dass hier eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut wurde und zwar dergestalt, dass eine Manipulationssoftware eingebaut wurde, welche die Verbrennungstemperatur noch mehr absenkt, um die gesetzlich vorgegebenen Stickoxidwerte einzuhalten. Im Gegenzug steigt der Rußpartikelanteil im Abgas. Wenn der Stickstoff-Wert gesenkt wird, dann steigt ganz automatisch der Rußpart ikel-Anteil. Der erhöhte Rußanteil im Dieselmotor führt zu einer Verkokung, man kann auch Verstopfung sagen. Deshalb müssen die AGR Ventile anschließend ausgetauscht werden. Das Abgasrückführungsventil wird im Rahmen des Software Updates also so ang esteuert, dass mehr abgekühlte Abgase zurück in den Motorraum geführt werden. Dort muss das neue Gemisch verbrannt werden. Dazu bedarf es einer größeren Sprit-Zuführung, weshalb der Verbrauch immer steigen wird und es muss mehr Sauerstoff in das Gemisch gelangen. Dieses neue Gemisch zündet später als vorher, weshalb auch viele Betroffene ein Ruckeln oder verzögertes Ansprechverhalten wahrnehmen, bis irgendetwas passiert. Das neue Gemisch verbrennt Kühler und die Stickstoffdioxidwerte sinken deutlich. Der Nachteil ist exorbitanter Rußanstieg als Folge des neuen Verbrennungsgemisches. Dass die AGR-Ventile ausgetauscht werden müssen, kann ein Indiz dafür sein, dass auf dem Prüfstand die Abgastemperatur soweit heruntergekühlt wird, dass sich im Gegenzug der Rußpartikelwert überdimensional erhöht, was zur Verstopfung der Rückfüh rventile führt. In Konsequenz müssen diese ausgetauscht werden. Physikalisch ist das Dilemma letztendlich nach meiner Einschätzung jenes, dass offenbar die Stickoxidwerte nicht eingehalten werden können, ohne nicht auch den Rußpartikelanteil zu überschreiten.
IG Dieselskandal: Die Klage Ihres Mandanten wird derzeit vor dem LG Leipzig verhandelt. Wie ist der Stand und wie Ihre Prognose?
RAin Bauer: Es ist Entscheidungsverkündungstermin im Februar 2019 bestimmt und ich hoffe natürlich für uns alle, dass ein entsprechender Beweisbeschluss erlassen wird. Im Termin zur
mündlichen Verhandlung war die Vorsitzende Richterin der Argumentation zugänglich.
IG Dieselskandal: Wie konnten Sie die Rechtsschutzversicherung Ihres Mandanten überzeugen?
RAin Bauer: Es verbietet sich eine schematische Bearbeitung der Fälle. Da die Rechtschutzversicherung sehr oft das Argument der mangelnden Er folgsaussichten ins Feld führen, muss nicht nur schriftlich, sondern auch mal fernmündlich die Sach- und Rechtslage erläutert werden und zwar nicht pauschal sondern einzelfallbezogen.
IG Dieselskandal: In Sachen T5 gibt es viele Fragen, unter anderem zur angeblichen Nichtbetroffenheit. Welche Erklärung haben Sie dafür, dass dieses Auto über drei Jahre nach dem Bekanntwerden des VW-Skandals immer noch zum Kreis der angeblich nicht betroffenen Autos gehört?
RAin Bauer: In mir ruft die Gesamtthematik sehr oft nur Kopfschütteln und Fassungslosigkeit hervor. Ich
formuliere gerne die Frage, warum denn in den USA ein ganz anderes Regulierungsverhalten praktiziert wurde und sich in Deutschland die Konzerne von Anfang an vehement weigern und keine Verantwortung übernehmen? Da ich selbst mit einem Audi A 6 V 6 3.0 betroffen bin, habe auch ich schwarz auf weiß vorliegen, dass das Fahrzeug nicht betroffen sei, bis letztendlich das Gegenteil bewiesen werden konnte. Es ist ein Taktieren und Hinhalten immer verbunden mit dem Ziel, dass eine Vielzahl von Geschädigten sich ihrer Ansprüche nicht bewusst sind und/oder die Geltendmachung der Ansprüche scheuen. Jeder Einzelne ist sodann ein Gewinn für die Konzerne.
IG Dieselskandal: Gibt es Versäumnisse seitens des KBA?
RAin Bauer: Wenn mir aus Sicht des KBA die Prüfung eines Sachverhaltes angetragen wird und ich mir der Trag- und Reichweite meiner Inaktivität bewusst bin, dann finde ich Mittel und Wege, um schnellstmöglich eine Lösung zu präsentieren, unabhängig vom Ergebnis. Ich kann nicht nachvollziehen, warum dies hier nicht gelingt und man auch nicht offen kommuniziert. Eine
nachvollziehbare Argumentation habe ich bislang nicht gehört. Das KBA – so der Anschein – hat wenig Interesse an einer schnellstmöglichen Aufarbeitung oder nicht die technischen und persönlichen Voraussetzungen dafür.
IG Dieselskandal: Welche Argumente führen Sie in Ihrer Klage an?
RAin Bauer: Die Argumentation, welche ich dargestellt habe, wird auch stetig unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse angepasst und natürlich individualisiert vorgetragen. Wie stellt sich im Einzelfall der Dieselverbrauch dar, Leistungsverlust, Start - und Kaltstartverhalten etc.
IG Dieselskandal: Welche Empfehlungen haben Sie an die Adresse der T5-Besitzer?
RAin Bauer: Mein Anliegen ist es, dass keine Resignation eintritt sondern wir vielmehr gemeinsam die Sache aufarbeiten und aktiv werden. In Deutschland werden die Geschädigten viel zu wenig informiert und aufgeklärt. Die T 5 Besitzer sollten sich dringend registrieren und uns unter Zuhilfenahme des erstellten Fragebogens ihre individuellen Erfahrungen mitteilen. So können wir bestmöglich agieren und Handlungsempfehlungen aussprechen, um Ansprüche zu sichern und perspektivisch bestenfalls durchzusetzen. Sobald ein Beweisbeschluss eines Gerichts und darauf folgend ein Sachverständigengutachten vorliegt, werden wir jeden Einzelnen informieren.
IG Dieselskandal: Gibt es Parallelen zum T6? Was empfehlen Sie Eigentümern des T5-Nachfolgers?
RAin Bauer: Ab Herbst 2015 wurde der EA288 als modernisierter Reihenvierzylinder verbaut. Das Kraftfahrtbundesamt verfügte im Jahr 2018 einen Auslieferungs- und Zulassungsstopp für
den VW T 6, was richtungsweisend ist. Auch hier wird das Thema der AGR-Ventile diskutiert. Ich möchte nochmals mit Nachdruck erwähnen, dass es sich mir nicht erschließt, warum
man beim T 5 die Lösung gehabt haben will und dann nachfolgend im Rahmen eines innovativen Weiterentwicklungsprozess zum T 6 die gesetzlichen Gegebenheiten ignoriert. Für beide Modelle gilt, dass es im Verfahren mehr oder weniger unerheblich ist, ob Rückrufe vorliegen oder nicht.
Kommentare
Interview mit RAn Bauer zur T5-Problematik
Nachdem der "Entscheidungsverkündungstermin im Februar 2019 bestimmt" war, wäre es im November 2020 doch langsam an der Zeit, das Ergebnis dieser Verhandlung als Info an das Interview anzuhängen.
Ich recherchiere mal
Meist vergleichen die sich und es kommt zu keinem Ergebnis, das öffentlich gemacht würde. Ich rufe Frau Bauer mal an!
LG Usch
VW T 5 Interview mit RAin Bauer
Mich würden auch weiter Infos in Sachen T5 interresieren. Stehe selber mit dem KBA im Kontakt. VW Nutzfahrzeuge möchte von mir offiziell nicht mehr angeschrieben werden. Mit RA Bauer hatte ich vor einem Jahr auch Kontakt. Leider stimmt mich für die Beschreitung des Rechtsweges noch nichts wirklich günstig.
MFG Lars Schmidt