Die Deutsche Umwelthilfe geht als Sieger aus einer komplexen juristischen Auseinandersetzung mit dem Kraftfahrtbundesamt hervor. Das Verwaltungsgericht Schleswig - Az.: 3 A 113/18 - fordert das KBA mit Urteil vom 20. Februar 2023 auf, die 2016 erteilte Genehmigung zum Softwareupdate eines Golf 6 EA189 aufzuheben.
Für den Besitzer des Autos bedeutet das:
- Nach der Aufhebung des Genehmigungsbescheides steht unter Umständen der Entzug der Zulassungsgenehmigung im Raum
- Das KBA wird Volkswagen auffordern, ein den Grenzwerten entsprechendes Update sowie Hardware-Nachrüstung zu entwickeln
- Dieses wird nach Genehmigung des KBA im Rahmen einer Rückrufaktion aufgespielt, bzw. eingebaut
Damit entspricht das Auto wieder der Schadstoffklasse 5 und darf weiter im öffentlichen Straßenverkehr unterwegs sein.
10 Millionen Autos betroffen?
Gelingt es nicht, die zulässigen Grenzwerte für NOx einzuhalten, muss das Auto stillgelegt und außerhalb der EU verkauft oder verschrottet werden.
Das Gleiche dürfte für alle weiteren Golf 6 gleicher Bauart gelten und unter Umständen für 10 Millionen weitere Autos, die das umstrittene Thermofenster für das Abgasmanagement nutzen.
Die Frage, wer für den entstehenden Schaden aufkommt, ist eng mit einer in diesen Tagen anstehenden Entscheidung des EuGH verbunden. Dieser entscheidet, ob die Nutzung des Thermofensters grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch des Autobesitzers gegenüber dem Hersteller auslöst, oder nur, wenn vorsätzlich betrogen wurde. Entscheidet sich das Gericht dem Schlussantrag des Generalanwaltes entsprechend für die umfassendere Schadenersatzregelung, dass auch eine fahrlässige Schädigung schuldig macht, dann wird der Abgasskandal komplett neu aufgerollt werden müssen, da die Hersteller von 10 Millionen Autos der Schadstoffklassen Euro 5 und 6 für aufkommende Schäden - z.B. die drohende Stilllegung und den damit einhergehenden Wertverlust, eintreten müssen.
Hier weitere Infos zum Urteil aus Schleswig
Für das Auto – und damit theoretisch auch für alle anderen Fahrzeuge, denen ein Software-Update aufgespielt wurde - liegt also aktuell keine wirksame Typengenehmigung vor. VW muss nun nachbessern mit Soft- und Hardware. Gelingt das nicht, dann müssen die zurückgerufenen Autos endgültig still gelegt werden.
Aktuell hatten die Gebrauchtwagenpreise etwas Fahrt aus dem Abgasskandal genommen. Autos wie der Golf 6 wurden am Markt teils höher gehandelt als ein einzuklagender Schadenersatz ausgefallen wäre.
Das kann und wird sich jetzt schlagartig ändern, denn ein Auto, dem die Zwangsstilllegung droht, dürfte sich schlecht verkaufen lassen. Schadenersatz nach Rückgabe wird so wieder zu einer guten Option!
Entscheidend ist, ob die Hersteller sich der Aufgabe stellen, funktionale Updates und geeignete Hardware zu entwickeln – das ist kostspielig. Und Frage ist ja auch, ob es überhaupt möglich ist, Diesel-Motoren nachträglich so zu bearbeiten, dass Grenzwerte zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit ohne Leistungsverluste eingehalten werden können.
Nach Auffassung der DUH sind insgesamt 10 Millionen Autos verschiedener Hersteller betroffen. Dazu gehören die Fahrzeuge des VW-Konzerns mit dem Diesel-Motor EA 189, bei denen nach Bekanntwerden des Dieselskandals ein Software-Update mit dem unzulässigen Thermofenster aufgespielt werden musste. Sie wurden in den letzten Jahren durch Software-Updates an die Rahmenbedingungen der Schadstoffklassen 5 und 6 angepasst, wobei das umstrittene Thermofenster zum Einsatz kam. Wie beim aktuell in Schleswig verhandelten Golf 6 und dem Motor EA189 ist nun davon auszugehen, dass alle mit dem Thermofenster aufgerüsteten Motoren die Grenzwerte nicht einhalten und grundsätzlich zurückgerufen werden müssen. Der EuGH hat übrigens schon in mehreren Verfahren entschieden, dass es sich beim Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.
Unsere Handlungsempfehlung
Wirklich entscheidend verbessert haben sich nur die Handlungsoptionen von Golf 6-Besitzern mit EA189 Motor, deren Autos nicht älter als 10 Jahre sind. Derzeit ist der Umgang mit Verjährungsfristen nicht ganz eindeutig, sodass Personen, deren Autos u.U. kurz vor der Verjährung möglicher Ansprüche stehen, verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen sollten. Diese Empfehlung richtet sich an die Besitzer von Autos, die 2013 zugelassen wurden und demnach älter als 10 Jahre sind.
Für alle anderen Dieselfahrer mit Autos der Schadstoffklassen 5 und 6 – alle Hersteller - wird sich die Situation erst mit dem EuGH-Urteil maßgeblich ändern. Dies gilt für alle Herstellermarken und natürlich auch für Wohnmobile.
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