Wer meint, über den EA189 müsse man nicht mehr reden, der hat die Rechnung ohne die Deutsche Umwelthilfe gemacht - die bleiben dran und haben nun mit dem Europäischen Gerichtshof ein Schwergewicht als Mitstreiter gewonnen. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hatte die DUH-Klage, nach der das KBA sämtliche EA189 wegen eines unzulässigen Softwareupdates zurückrufen sollte, vom Europäischen Gerichtshof prüfen lassen: Es ging um die Frage: ob genügend "allgemeines Interesse" bestehe, um eine deutsche Behörde zu einem Rückruf in genannter Größenordnung verpflichten zu können - immerhin geht es um 2,5 Millionen VW, SEAT, Skoda und Audi mit TDI-Motor der Schadstoffklasse 5.
Generalanwalt sieht Deutschland in der Pflicht
Der Antrag des Generalanwaltes liegt nun vor, ebenso eine aktuelle Ausarbeitung zur Zulässigkeit von Abschaltvorrichtungen, das Gericht entspricht in aller Regel dieser Vorgabe. Es besteht der wohl begründete Verdacht, dass mit den Millionen von Updates, die seit 2015 auf Volkswagen TDI-Modelle mit EA189-Motor aufgespielt wurden, wieder unzulässige Abschaltvorrichtungen verbaut wurden, mit denen Volkswagen falsche Prüfergebnisse produzieren konnte. Die DUH ist – wie wohl auch der EuGH - der Meinung, dass dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt nichts anderes bleibt, als die Autos zurückzurufen. Die Rückendeckung des EuGH besteht konkret in der Vorlage des eigenen Gutachtens, das das „allgemeine Interesse“ der DUH-Klage unterstreicht.
Generalanwalt Athanasios Rantos ist der Meinung, dass nationale Regierungen und Verwaltungen einen wirksamen gerichtlichen Schutz des Umweltrechts zu gewährleisten haben. Die vom Generalstaatsanwalt des EuGH ausgearbeitete Akte lässt kaum eine andere Möglichkeit als das Obsiegen der DUH zu. Was Folge sein könnte: VW muss alle einst zurückgerufenen Autos in die Werkstatt holen und das damals aufgespielte Update nochmals updaten – diesmal aber sicher unter strengerer Beobachtung. Der Generalanwalt definiert im Gutachten strenge Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung.
Schleswiger Gericht muss nun entscheiden
Sollte die DUH eine entsprechende Klage vor einem Gericht in Deutschland rechtssicher abschließen können, würde das wiederum für Millionen Autobesitzer auf Schadenersatz herauslaufen, selbst wenn die Autos schon lange verkauft oder sogar verschrottetet wurden. Unsere Kooperationsanwälte warnen allerdings vor übereilten Hoffnungen: „Das Verfahren in Schleswig muss erst mal das gewünschte Ende nehmen und dann muss Volkswagen auch noch die Sittenwidrigkeit nachgewiesen werden.“ Allerdings hat die DUH gute Argumente auf ihrer Seite, während Volkswagen jeglichen Vertrauenszuschuss verloren hat: Dem Konzern ist natürlich auch zuzutrauen, dass absichtlich auch bei den Software-Updates betrogen wurde.
Nach Recherchen der DUH geben Millionen Autos mit Softwareupdate zu viel NOX in die Umgebung ab. Korrekte Werte gibt es nur unter Laborbedingungen im Temperaturbereich zwischen 15 und 33 Grad und derartige Durchschnittstemperaturen gibt es in Europa nicht in einem repräsentativen Durchschnitt. Der liegt in Deutschland bei knapp über 12 Grad. Solche Thermischen Fenster hatten schon früher den EuGH auf den Plan gerufen, denn temperaturgesteuerte Abschalteinrichtungen sind nach Meinung des Gerichts nicht zulässig, Im aktuellen Verfahren vor dem EuGH ging es um die Zulässigkeit der Klage gegen VW vor einem deutschen Verwaltungsgericht. Das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht hatte die Sache zum EuGH getragen und hat nun die Argumente darüber entscheiden zu dürfen – auch im europäischen Kontext. Die Sache liegt bei einem Verwaltungsricht, weil es um KBA-Rückrufe geht, die als behördliche Anweisung natürlich nicht vor einem normalen Gericht verhandelt werden können.
Das Schleswiger Gericht hat nun die Option - wie von der DUH verlangt – das KBA zur verpflichten, die Rückrufe vorzunehmen. Kann VW keine geeignete Software liefern, dann müssen die Autos aus dem Verkehr gezogen werden. Kooperationsanwalt Dr. Gasser: „Stilllegungen sind dann nicht mehr auszuschließen!!“ Das Schleswiger Verfahren wird viele Fragen zur Anwendung offen lassen müssen. Wie sieht ein Schadenersatz aus, wenn schon Schadenersatz gezahlt wurde? Wie kann der neuerliche Anspruch berechnet werden und wem steht er zu? Das ist ein ganz neuer Abgasskandal, der mit der Dokumentation des Schadens durch das KBA konkret würde. Stellt das KBA einen Sachmangel fest, dann steht Besitzern solcher Autos Schadenersatz zu.
Wer bekäme Schadenersatz nach Software-Rückruf?
Für Fälle, in denen bereits Schadenersatz gegen Rücknahme des Autos gezahlt wurden, ändert sich nichts. Anders sieht es für Autobesitzer aus, die betroffene Autos gebraucht mit aufgespieltem Update gekauft haben und für den Personenkreis, der sich an der Musterfeststellungsklage beteiligt hat. Für diese Personen ergibt sich eine neue Schadenersatz-Konstellation. Und gibt es wirklich einen Rückruf, dann dürfte der kollektive Rechtsschutz auch wieder greifen in Form einer möglichen Musterklage, Rechtsschutz-Deckungen oder zur Verfügung stehenden Prozesskostenfinanzierungen.